Wer Eigentum an einem Grundstück hat, darf grundsätzlich frei darüber verfügen und hat gegenüber Dritten ein Ausschliesslichkeitsrecht. Dennoch gibt es Fälle, in welchen Dritte gewisse Ansprüche auf das Grundstück haben können. So ist dies auch bei den gesetzlichen Pfandrechten, bei welchen die entsprechenden Gläubiger einen Anspruch auf Verwertung des Grundstücks erheben können. Durch die gesetzlichen Pfandrechte kann auch Ihr Grundstück belasten werden, auch wenn Sie gar keine Vereinbarung dazu getroffen haben und nie Ihr Einverständnis gegeben haben. In diesem Beitrag wird für Grundeigentümer im Kanton Luzern praxisnah erläutert, welche gesetzlichen Pfandrechte existieren, wie sie funktionieren und was Grundeigentümer konkret beachten müssen.
1. Einführung: Wesen und Funktion gesetzlicher Pfandrechte
Ein Pfandrecht gibt einem Gläubiger das Recht, sich bei Nichtzahlung einer Schuld durch die Verwertung des Pfandgegenstandes – im Immobilienrecht: des Grundstücks – zu befriedigen. Für den Grundeigentümer bedeutet das, dass er im Verwertungsfall sein Grundstück verliert. Während bei vertraglichen Pfandrechten (z.B. bei Hypotheken bei einer Bank) eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger notwendig ist, entstehen gesetzliche Pfandrechte kraft Gesetzes, ohne dass der Grundeigentümer sein Einverständnis abgeben muss.
Der Gesetzgeber möchte dadurch bestimmte Gläubigergruppen schützen, deren Forderungen eng mit dem Grundstück zusammenhängen oder die aus strukturellen Gründen besonders gefährdet sind. So sollen z.B. Bauhandwerker nicht leer ausgehen, wenn ein Bauherr zahlungsunfähig wird, nachdem die Arbeiten schon ins Grundstück eingeflossen sind.
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen:
• Unmittelbaren gesetzlichen Pfandrechten: ein unmittelbares gesetzliches Pfandrecht entsteht direkt von Gesetzes wegen, also automatisch, sobald die im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind – und zwar ohne dass es einen Grundbucheintrag braucht. Das Gesetz knüpft die Pfandrechtsentstehung unmittelbar an die Forderung. Solche Pfandrechte wirken sofort gegen den Eigentümer.
• Mittelbaren gesetzlichen Pfandrechten: ein mittelbares gesetzliches Pfandrecht entsteht nicht automatisch, sondern erst dann, wenn der Anspruch geltend gemacht und das Pfandrecht im Grundbuch eingetragen wird. Die Eintragung im Grundbuch hat also konstitutive Wirkung – ohne Eintrag kein Pfandrecht.
Für Sie als Eigentümer bedeutet das: Auch ohne Ihr Zutun können Dritte berechtigt sein, ein Pfandrecht auf Ihrem Grundstück zu beanspruchen.
2. Gesetzliche Pfandrechte nach Bundesprivatrecht
Im Schweizerischen Zivilgesetzbuch sind drei wichtige gesetzliche Pfandrechte enthalten, die bundesweit gelten und für die Praxis im Kanton Luzern von grosser Bedeutung sind. Daneben sieht das kantonale Recht in Luzern weitere gesetzliche Pfandrechte vor.
2.1 Verkäuferpfandrecht (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB)
Das Gesetz sieht vor, dass für die Forderung des Verkäufers an dem verkauften Grundstück ein Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Pfandrechts besteht.
Zweck: Das Verkäuferpfandrecht schützt den Verkäufer eines Grundstücks für seine Kaufpreisforderung. Sobald er das Eigentum überträgt, verliert er nämlich die Möglichkeit, das Grundstück zurückzubehalten. Würde der Käufer nicht zahlen, ginge der Verkäufer leer aus.
Funktionsweise:
- Entsteht als mittelbares gesetzliches Pfandrecht: Der Verkäufer hat einen Anspruch auf Eintragung des Pfandrechts ins Grundbuch.
- Die Eintragung muss innerhalb von 3 Monaten nach der Eigentumsübertragung erfolgen.
- Das Verkäuferpfandrecht ist auch bei der Übertragung von Miteigentumsanteilen anwendbar.
Praxisbeispiel:
Ein Grundstück wird für CHF 1 Mio. verkauft. Der Käufer zahlt nur CHF 600’000, die restlichen CHF 400’000 bleiben offen. Der Verkäufer kann ein Verkäuferpfandrecht im Grundbuch eintragen lassen, das seine Forderung absichert. Kommt es zur Zwangsverwertung, erhält er den ausstehenden Betrag bevorzugt aus dem Erlös.
2.2 Pfandrecht der Miterben (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB)
Des Weiteren sieht das Gesetz auch vor, dass für Forderung der Miterben aus Teilung an den Grundstücken, die der Gemeinschaft gehörten ebenfalls Grundstück ein Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Pfandrechts besteht.
Zweck: Bei Erbteilungen oder der Auflösung einer Gemeinschaft kommt es oft vor, dass Grundstücke einem einzelnen Miterben zugesprochen werden. Dafür schuldet er den anderen eine Ausgleichszahlung. Damit diese nicht ungesichert bleibt, gewährt das Gesetz den übrigen Beteiligten ein Pfandrecht.
Funktionsweise:
- Auch hier handelt es sich um ein mittelbares gesetzliches Pfandrecht, das erst mit der Eintragung entsteht.
- Frist: Die Eintragung muss innert 3 Monaten nach Übertragung erfolgen.
Praxisbeispiel:
Drei Geschwister erben ein Grundstück. Es wird einem Bruder zugesprochen, der den anderen beiden je CHF 100’000 auszahlen muss. Für diese offenen Forderungen, die als Abfindung für die Zuteilung des Grundstücks an den Bruder dienen, können die Geschwister ein Pfandrecht eintragen lassen, um ihre Ansprüche zu sichern.
2.3 Bauhandwerkerpfandrecht (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB i.V.m. Art. 839 f. ZGB)
Das Bauhandwerkerpfandrecht ist das in der Praxis mit Abstand wichtigste gesetzliche Pfandrecht.
Zweck: Handwerker und Unternehmer müssen bei Bauprojekten regelmässig in Vorleistung gehen. Das verbaute Material wird durch das Akzessionsprinzip Bestandteil des Grundstücks und geht in das Eigentum des Grundeigentümers über. Aufgrund dieser Begebenheiten sieht das Gesetz einen speziellen Schutz für Forderungen von Handwerkern vor.
Wer kann ein Bauhandwerkerpfandrecht eintragen lassen?
- Handwerker und Unternehmer, die Arbeit oder Material auf einem Grundstück leisten, z.B. Maurer, Elektriker, Architekten, Gartenbauer, Gerüstbauer sind die Berechtigten des Bauhandwerkerpfandrechts. Aber auch Subunternehmer, die gar keine direkte vertragliche Beziehung mit dem Grundeigentümer haben, können ein Bauhandwerkerpfandrecht eintragen lassen.
- Auch wenn ein Mieter oder Pächter Auftraggeber ist, besteht ein Pfandrecht, sofern der Eigentümer den Arbeiten zugestimmt hat.
Eintragung:
- Auch das Bauhandwerkerpfandrecht ist ein mittelbares gesetzliches Pfandrecht und muss dementsprechend im Grundbuch eingetragen werden, damit es beansprucht werden kann.
- Das Pfandrecht muss spätestens 4 Monate nach Vollendung der Arbeiten ins Grundbuch eingetragen werden.
- Der Grundeigentümer kann die Eintragung verhindern, wenn er hinreichende Sicherheit leistet (z.B. Bankgarantie).
Rangordnung: Alle Bauhandwerkerpfandrechte stehen untereinander im gleichen Rang, unabhängig vom Datum der Eintragung.
Praxisbeispiel:
Ein Bauunternehmer erstellt für CHF 200’000 eine Fassade, wird aber nicht bezahlt. Er lässt ein Bauhandwerkerpfandrecht eintragen. Wird das Grundstück verwertet, erhält er seine Forderung aus dem Verwertungserlös – gleichrangig mit anderen beteiligten Handwerkern.
3. Gesetzliche Pfandrechte nach kantonalem Recht (Art. 836 ZGB)
Neben den bundesrechtlichen Pfandrechten erlaubt Art. 836 ZGB auch den Kantonen, eigene gesetzliche Pfandrechte einzuführen.
Der Kanton Luzern hat unter anderem folgende gesetzliche Pfandrechte eingeführt:
a) Für die Gebühren und Auslagen des Grundbuchamtes besteht ein den übrigen Pfandrechten im Rang vorgehendes gesetzliches Pfandrecht für die Dauer von zwei Jahren seit Fälligkeit, § 93i EG ZGB.
b) Für die Handänderungssteuer besteht ein den übrigen Pfandrechten im Rang vorgehendes gesetzliches Pfandrecht für die Dauer von zwei Jahren seit Fälligkeit, § 19a Abs. 1 HStG.
c) Für die Grundstückgewinnsteuer samt Verzugszins besteht vom Zeitpunkt der Veräusserung an ein den übrigen Pfandrechten im Rang vorgehendes gesetzliches Pfandrecht, jedoch längstens für die Dauer von zwei Jahren seit Eintritt der Fälligkeit, § 32 Abs. 1 GGStG.
d) Für die Einkommens- oder die Gewinnsteuer samt Zins, geschuldet aus Kapital- bzw. Liquidationsgewinn, besteht in dem Umfang, in welchem die Steuerforderung eine besondere Beziehung zu einem Grundstück aufweist, ein den eingetragenen Pfandrechten im Rang vorgehendes gesetzliches Pfandrecht. Wird das Pfandrecht für eine aufgrund der Veräusserung des Grundstücks geschuldete Steuer geltend gemacht, ist es auf 10 Prozent des Veräusserungserlöses beschränkt. Es beträgt aber in jedem Fall mindestens 10 Prozent des Katasterwerts, § 206 StG.
Diese gesetzlichen Pfandrechte bestehen ohne Eintrag im Grundbuch, es handelt sich also um unmittelbare gesetzliche Pfandrechte.
Werden jedoch solche Pfandrechte im Betrag von über CHF 1'000.00 innert 4 Monaten seit Fälligkeit der zugrundeliegenden Forderung, spätestens jedoch innert zwei Jahren seit Entstehung der Forderung nicht im Grundbuch eingetragen, so können sie gutgläubigen Dritten (zum Beispiel einem Erwerber des Grundstücks) nicht entgegengehalten werden.
Praxisbeispiel:
Nach einem Grundstückverkauf erhebt der Kanton Luzern eine Grundstückgewinnsteuer. Für die offene Steuerforderung entsteht ein gesetzliches Steuerpfandrecht am Grundstück. Wird es fristgerecht eingetragen, haftet auch ein Erwerber der Liegenschaft für die offene Steuer.
4. Handlungsempfehlungen für Grundeigentümer
1. Fristen im Blick behalten:
o Verkäufer-/Erbenpfandrecht: 3 Monate.
o Bauhandwerkerpfandrecht: 4 Monate nach Vollendung der Arbeiten.
o Kantonale Pfandrechte: 4 Monate (max. 2 Jahre).
2. Prüfung vor Zustimmung zu Bauarbeiten durch Mieter/Pächter:
Die Zustimmung kann zur Belastung des Grundstücks führen.
3. Sicherheitsleistung als Schutz:
Um eine Eintragung (v.a. Bauhandwerkerpfandrecht) zu verhindern, kann eine Sicherheitsleistung bereitgestellt werden.
4. Sorgfalt beim Erwerb eines Grundstücks:
Käufer sollten stets das Grundbuch und laufende Verfahren prüfen, um unerwartete Belastungen zu vermeiden. Bei einem Erwerb eines sich im Bau befindenden Hauses, empfiehlt es sich vertraglich zu regeln, wie die Verkäuferschaft haftet, wenn ein Bauhandwerkerpfandrecht eingetragen wird.
5. Steuerforderungen im Auge behalten:
Insbesondere die Grundstückgewinnsteuer sollte zeitnah beglichen werden, um Pfandrechte zu verhindern.
5. Fazit
Gesetzliche Pfandrechte sind ein starkes Instrument zugunsten der begünstigten Gläubiger. Sie können ein Grundstück auch ohne ausdrückliche Zustimmung des Eigentümers belasten. Besonders das Bauhandwerkerpfandrecht ist in der Praxis von grosser Bedeutung. Daneben schützen das Verkäufer- und Erbenpfandrecht sowie kantonale Steuerpfandrechte die jeweiligen Gläubiger.
Für Grundeigentümer im Kanton Luzern heisst das: Wer kauft, verkauft, erbt oder baut, sollte die gesetzlichen Pfandrechte kennen und die Fristen im Auge behalten. Eine rechtzeitige Beratung – etwa beim Notar – schützt vor unangenehmen Überraschungen und stellt sicher, dass Ihr Grundeigentum nicht ungewollt belastet wird.