Einleitung
In einem zunehmend dynamischen Immobilienmarkt fühlen sich viele Privatpersonen dazu verleitet, in Immobiliengeschäfte einzusteigen, um von attraktiven Gewinnen zu profitieren. Doch solche Vorhaben bergen erhebliche Risiken – insbesondere aus steuerlicher Sicht. Ein aktueller Entscheid des Bundesgerichts vom 22. Januar 2024(9C_613/2023) verdeutlicht erneut, wie heikel Immobilienprojekte sein können, wenn sie privat abgewickelt werden, insbesondere in Verbindung mit einer hohen Fremdfinanzierung.
𝗗𝗲𝗿 𝗙𝗮𝗹𝗹: Was ist geschehen?
In diesem Fall gründeten der Steuerpflichtige und sein Partner D eine einfache Gesellschaft, um in ein Immobilienprojekt zu investieren. D brachte ein Grundstück in die Gesellschaft ein, während der Steuerpflichtige die Hälfte der ausstehenden Hypothek in Höhe von CHF 2'100'000 übernahm. Fast 99% seines Anteils finanzierte der Steuerpflichtige mit Fremdkapital. Rund zehn Jahre später wurde das Grundstück für CHF 7'400'000 verkauft, was einen erheblichen Gewinn einbrachte.
Interessanterweise hatten die Steuerbehörden das Grundstück über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren als Privatvermögen des Steuerpflichtigen akzeptiert. Grundsätzlich bedeutet dies, dass ein Gewinn aus dem Verkauf eines solchen Privatvermögens in der Schweiz steuerfrei wäre. Doch bei der Veräusserung stufte die Steuerverwaltung den Steuerpflichtigen plötzlich als gewerbsmässigen Liegenschaftenhändler ein. Dies führte dazu, dass der Verkaufsgewinn als Einkommen versteuert werden musste.
𝗘𝗻𝘁𝘀𝗰𝗵𝗲𝗶𝗱𝗲𝗻𝗱𝗲 𝗔𝘀𝗽𝗲𝗸𝘁𝗲:
In seiner Urteilsbegründung stützte sich das Bundesgericht auf mehrere zentrale Faktoren, die bei der Beurteilung des Falles ausschlaggebend waren:
Systematisches Vorgehen
Der Steuerpflichtige erwarb gemeinsam mit seinem Partner D systematisch Immobilien unter dem Verkehrswert, um diese entweder zu vermieten oder gewinnbringend weiterzuverkaufen. Diese systematische Vorgehensweise wurde als starkes Indiz für eine gewerbsmässige Tätigkeit gewertet.
Berufliche Nähe zur Immobilienbranche
Ein weiteres wichtiges Kriterium war die berufliche Nähe des Steuerpflichtigen zur Immobilienbranche. Auch wenn der Steuerpflichtige offiziell nur in der Immobilienverwaltung tätig war, verfügteer aufgrund seiner beruflichen Erfahrung über tiefgehende Fachkenntnisse. Dies ermöglichte ihm, geeignete Objekte gezielt zu bewerten und günstige Marktchancen zu erkennen. Die berufliche Nähe war für das Gericht ausreichend, um von einer gewerblichen Tätigkeit auszugehen.
Einsatz erheblicher Fremdmittel
Das vielleicht stärkste Indiz für eine geschäftliche Tätigkeit war die nahezu vollständige Fremdfinanzierung des Projekts. Der Steuerpflichtige setzte fast kein Eigenkapital ein, was ein typisches Merkmal einer gewerbsmässigen Vorgehensweise ist. Das Bundesgerichtstellte klar, dass eine Privatperson, die de facto keine eigenen Mittel für den Erwerb einer Immobilie aufwendet und lediglich Fremdkapital einsetzt, sich nicht auf die schlichte Verwaltung von Privatvermögen berufen kann.
Folgen für Investoren
Dieser Fall verdeutlicht die steuerlichen Risiken, die mit Immobilienprojekten einhergehen, wenn sie privat und mit hohem Fremdkapital abgewickelt werden. Obwohl das Projekt über zehn Jahre hinweg als Privatvermögen eingestuft wurde, führte die systematische Vorgehensweise des Steuerpflichtigen und der nahezu vollständige Einsatz von Fremdkapital zu einer Umqualifikation in eine gewerbliche Tätigkeit. Dies hatte zur Folge, dass der Verkaufsgewinn als Einkommen versteuert werden musste.
Lernpunkte für Praxisfälle
Wer als Privatperson in Immobilienprojekteinvestieren möchte, sollte sich der steuerlichen Risiken bewusst sein. Besonders der Einsatz von Fremdkapital kann zur Umqualifikation von Privatvermögen in Geschäftsvermögen führen, was erhebliche steuerliche Folgen hat. In solchen Fällen sollte der potenzielle Investor vor dem Erwerb einer Immobilie alternative Strukturierungsformen prüfen, um sicherzustellen, dass er nicht ungewollt als gewerbsmässiger Liegenschaftenhändler eingestuft wird. Dies könnte beispielsweise durch den Einsatz einer Gesellschaft geschehen, wodurch die steuerliche Transparenz erhöht und die Risiken minimiert werden.
Fazit
Immobilienprojekte, die zu einem grossen Teil mit Fremdkapital finanziert werden, bergen das Risiko, dass der Investor als gewerbsmässiger Liegenschaftenhändler eingestuft wird. Dies hat zur Folge, dass Gewinne aus solchen Projekten als Einkommen versteuert werden, was die ursprünglich erwarteten finanziellen Vorteile erheblich schmälert. Um böse Überraschungen zu vermeiden, sollten alternative Strukturierungsformenfrühzeitig in Betracht gezogen werden, insbesondere bei grossen Projekten oder wenn Immobilien systematisch gekauft und verkauft werden. Eine sorgfältige Planung und Beratung durch Fachleute kann hier den Unterschied machen und unangenehme steuerliche Konsequenzen verhindern.